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#RUNDGANG


Tjukurrpa, Wangarr
. Traumzeit

Den australischen Mythologien zufolge entstand die Welt wie wir sie kennen in einer Zeit, in der schöpferische Wesen über den Kontinent wanderten und auf ihren Wegen das Land und das Wasser, die vielfältige Pflanzen-, Tier- und Menschenwelt sowie alle elementaren Erscheinungen entstehen ließen. Auf sie gehen auch die Regeln und Grundsätze zurück, die das Leben der Aborigines bis in die Gegenwart bestimmen.

Der deutsche Begriff „Traumzeit“, der ja einen abgeschlossenen Zeitraum nahelegt, kann nur sehr eingeschränkt übersetzen, was die Begriffe Tjukurrpa in der Sprache der Pitjantjatjara in Zentralaustralien oder Wangarr in den Sprachen Nordost-Arnhemlands beschreiben. Denn sind die Wanderungen der schöpferischen Ahnen auch beendet, so besteht Tjukurrpa oder Wangarr weiter, schließt in sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ein.

Die Schöpferahnen bleiben immer gegenwärtig und sichtbar in den unterschiedlichsten Herausbildungen der Natur, gefeiert von den Menschen des Landes in Geschichten, in Liedern und in Zeremonien. Die Überlieferungen verbinden die Menschen mit dem Ort ihrer Geburt, übertragen Verantwortung an die Lebenden für das Wohlergehen des jeweiligen Landes und der auf ihm lebenden Gemeinschaft.

Ebene 1 | Zentralaustralien: Papunya

Kanya Tjapangati, Ohne Titel, 1994, Acryl auf Leinwand, 122 x 183 cm, Foto: Blitz + Pixel, ©Kanya Tjapangati, VG Bild-Kunst, Bonn 2019
Mick Namarari Tjapaltjarri, Ohne Titel, 1988, Acryl auf Leinwand, 182 x 122 cm, Foto: Ketterer Kunst GmbH Co.KG, ©Estate Mick Namarari Tjapaltjarri, VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Der Auftakt der Ausstellung widmet sich der Künstlerkooperative „Papunya Tula Artists“. Sie wurde 1972 in der Regierungsstation Papunya 240 km nordwestlich von Alice Springs gegründet. Mit ihr beginnt die zeitgenössische Malereibewegung der Aborigines in Zentralaustralien.

Die Gemälde greifen bildnerische Elemente auf, die bis dahin nur in vergänglicher Form in geheimen Zeremonien in den Wüstensand gezeichnet oder auf Körper aufgetragen worden sind. Sie beziehen sich auf konkrete Orte und mit ihnen verbundene mythische Erzählungen, die von Wanderungen der Schöpferahnen und ihrem Wirken berichten. Die geheimen Inhalte werden jedoch durch flirrende Muster aus Punkten oder Linien vor der Offenlegung geschützt.

Mick Namarari Tjapaltjarri gehörte zu den ersten Mitgliedern der „Papunya Tula Artists“. Er experimentierte schon früh mit gepunkteten Farbfeldern und linearen Strukturen. Kanya Tjapangati ist seit den 1980er Jahren für die Künstlerkooperative tätig. Die Kreisformen in seinem Bild verweisen auf einen Ort, an dem sich Schöpferahnen aufgehalten haben. In Farbigkeit und Struktur sehr subtil ausgeführte Gemälde stammen von Yukultji Napangati und Doreen Reid Nakamarra. Sie zählen in der jüngeren Generation zu den erfolgreichsten Mitgliedern des Kunstzentrums.

Yukultji Napangati, Ohne Titel, 2012, Acryl auf Leinwand, 153 x 183 cm, Foto: Utopia Art Sydney, ©Yukultji Napangati, VG Bild-Kunst, Bonn 2019
Yukultji Napangati, Ohne Titel, 2008, Acryl auf Leinwand, 183 x 122 cm, Foto: Utopia Art Sydney, ©Yukultji Napangati, VG Bild-Kunst, Bonn 2019
Yukultji Napangati, Ohne Titel, 2001, Acryl auf Leinwand, 91 x 122 cm, Foto: Utopia Art Sydney, ©Yukultji Napangati, VG Bild-Kunst, Bonn 2019
Doreen Reid Nakamarra, Ohne Titel, 2008, Acryl auf Leinen, 137 x 122 cm, Foto: Utopia Art, Sydney, ©Estate Doreen Reid Nakamarra, VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Nach der politischen Anerkennung der Landrechte von Aborigines sind im Zuge der Homeland-Bewegung in den 1980er Jahren viele Ureinwohner wieder in ihre angestammten Gebiete gezogen. Während die „Papunya Tula Artists“ ihren Schwerpunkt nach Kintore und Kiwirrkura verlagert haben, gründete sich in Papunya selbst 2007 eine neue Gruppierung. Aus dem Kreis der „Papunya Tupi Arts“ zeigt die Ausstellung ein Gemälde von Doris Bush Nungarrayi.

Doris Bush Nungarrayi, Tjurrpinyi Ikuntji, 2018, Acryl auf Leinen, 122 x 198 cm (Foto: Aboriginal and Pacific Art, Sydney, ©Doris Bush Nungarrayi, VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Ebene 2 | Arnhemland

John Mawurndjul, Andartmu, Queen Fish, o.J., Ocker auf Eukalyptusrinde, 220 x 57 cm, Foto: Blitz + Pixel, ©John Mawurndjul, VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Auf Ebene 2 richtet sich der Blick auf Arnhemland. Für die bildnerische Tradition der Region kennzeichnend sind Rindentafeln oder Objekte aus Holz, bemalt mit natürlichen Farben wie Ocker, Holzkohle, Kalk oder weißem Pfeifenton. Die Materialien gehen aus dem Land hervor, das mit seinen felsigen Gebieten, Wäldern, Flüssen sowie der Küste am Meer vom tropischen Klima des Nordens geprägt ist. Hier belegen auch bis zu 18.000 Jahre alte Felsmalereien die lange Geschichte rituell gebundener Kunst in Australien. Ihre Motive und bildnerischen Strukturen, die zwar jünger, aber dennoch mehrere Tausend Jahre alt sind, spiegeln sich noch in zeitgenössischen Werken wider.

Die Kunst Arnhemlands kennt unterschiedliche Stilregionen. Zu den markanten Merkmalen der Arbeiten im Westen – aus der Umgebung um Maningrida –  gehört ein monochromer Hintergrund, in den figürliche, mit feinen Schraffuren (Rarrk) ausgefüllte Motive eingesetzt werden. Ein weiteres Sujet stellen langgliedrige Geistwesen dar, die in der zeitgenössischen Kunst auch als Skulpturen auftreten. Sogenannte „Hollow Logs“ – bemalte, von Termiten ausgehöhlte Holzstämme – gehen auf die Tradition von Baumsärgen zurück. Während die flächenfüllende Gestaltung für die Bilder in Zentralarnhemland allgemein kennzeichnend ist, prägt sie sich im Westen erst in jüngerer Zeit aus. Der Künstler John Mawurndjul hat dabei wesentliche Impulse gesetzt.

Jimmy Njiminjuma, Yawkyawk Spirit Figure, 1994, Ocker auf Eukalyptusrinde, 220 x 57 cm, Foto: Blitz + Pixel, ©Jimmy Njiminjuma, VG Bild-Kunst, Bonn 2019 // John Mawurndjul, Bark Painting, 2004, Erdpigmente auf Baumrinde, 180 x 65 cm, Foto: Blitz + Pixel, ©John Mawurndjul, VG Bild-Kunst, Bonn 2019
Hollow Logs von Samuel Namunjdja, John Mawurndul und Ivan Namirrikki, 2004/05, Erdpigmente auf Holz, Höhe 122 bis 143 cm, Foto: Blitz + Pixel, ©die Künstler, VG Bild-Kunst, Bonn 2019
Mickey Durrng, Liyagawumirr Peoples Clan Design, 9-teilig, 1996, Ocker und Acryl auf Papier, je 105 x 75 cm, Foto: Blitz + Pixel, ©Mikey Durrng, VG Bild-Kunst 2019

Welche Geschichten der mythologischen Überlieferung und welche abstrakten Muster gemalt werden dürfen, hängt von der Zugehörigkeit zu einem Clan sowie zu einer der beiden Erblinien (Moieties) der Dhuwaoder Yirritja ab. Dem aus Zentralarnhemland stammenden Künstler Mickey Durrng war es vorbehalten, die Clanmuster der Liyagawumirr zu malen, die unter anderem bei Toten-Ritualen auf die Körper von Verstorbenen aufgebracht werden.

Werke aus Ostarnhemland – aus der Gegend um Yirrkala – verweisen in der Ausstellung beispielhaft auf individuelle Wege im Rahmen der Tradition. Das Werk der Künstlerin Nonggirnga Marawili beruht auf Bildrechten und Mustern der Clans ihrer Eltern und ihres Mannes. Seit 2010 verzichtet sie zunehmend auf die sonst in der Region bildbestimmenden Schraffuren und stellt die überlieferten Clan-Muster in der Fläche frei. Arbeiten auf Karton haben Natur- und Wetterphänomene an der Nordküste Australiens zum Inhalt, die auf das Wirken von Schöpferahnen zurückgeführt werden.

Nonggirrnga Marawili, Yurr’yun, 2014, Erdpigmente auf Rinde, 210 x 82 cm, Foto: Blitz + Pixel, ©Nonggirrnga Marawili, VG Bild-Kunst 2019
Nonggirrnga Marawili, Baratjala / Lightning, 2018, Erdpigmente auf Papier, Maße divers, 67,5 x 55 cm – 76 x 56 cm, Foto: ARTKELCH, Freiburg, ©Nonggirrnga Marawili, VG Bild-Kunst 2019

Ebene 3 | bis 12. Januar | Zentralaustralien: APY und Ngaanyatjarra Lands

Esther Giles, Kuruyurltu – Esther, 2015, Acryl auf Baumwolle, 148 x 179 cm, Foto: ARTKELCH, Freiburg, ©Esther Giles, VG Bild-Kunst 2019

In wiederum starkem Kontrast präsentieren sich Gemälde auf Ebene 3. Mit ihnen richtet sich der Blick nochmals nach Zentralaustralien. Nach dem Vorbild der „Papunya Tula Artists“ sind in weiteren Regionen Künstlerkooperativen gegründet worden. So führen auch Aborigines aus den Sprachgruppen der Pitjantjatjara, Yankunytjatjara und Ngaanyatjarra die Malereibewegung in ihren angestammten Gebieten an den Territorialgrenzen von Süd- und Westaustralien fort. Wie vor allem Gemälde von Yaritji Young, Imitjala Curley aus den APY Lands sowie Esther Giles aus den Ngaanyatjarra Lands zeigen, setzen sie dabei mit ihren kräftigen Farben und expressiven Malstilen deutlich andere Akzente.

Imitjala Curley, Walytjitjata – Ngayuku ngunytjuku ngura, 2016, Acryl auf Belgisch Leinen, 153 x 153 cm, Foto: Blitz + Pixel, ©Imitjala Curley, VG Bild-Kunst 2019
Yaritji Young, Tjala tjukurrpa – Honey Ant Story, 2016, Acryl auf Leinen, 198 x 198 cm, Foto: Blitz + Pixel, ©Yaritji Young, VG Bild-Kunst 2019

Ebene 3 | ab 19. Januar | THE MAGIC OF BLACK AND WHITE

Im Januar ändert sich die Präsentation auf Ebene 3. Eine Sonderausstellung der Galerie ARTKELCH widmet sich der Verwendung von Schwarz und Weiß in der indigenen Kunst Papua-Neuguineas und Australiens. Dabei stehen Werke von drei Künstlerkooperativen im Vordergrund. Charakteristisch für die Oemi Artists aus Papua-Neuguinea sind Rindenbaststoffe mit kontrastreichen Mustern, die ihren Ursprung in der Schöpfungsgeschichte des Stammes haben und nur von weiblichen Häuptlingen ausgeführt werden dürfen. Dabei werden naturfarbene Stücke oder Streifen auf in Flussschlamm gefärbte Stoffe (oder umgekehrt dunkle Stücke auf hellen Grund) appliziert.

Brenda Kesi (Ariré), Wo’hoohe (Erdwolfspinne), 2009, Rindenbaststoffe natur und gefärbt, 67 x 137 cm, ©Oemi Artists
Djirrirra Wunungmurra, Yukuwa, 2016, Natural Pigment on Wooden Board, 120 x 60 cm, ©Buku-Larrnggay Mulka

Grundsätzlich steht in der Kunst der Aborigines Schwarz oft für das Substanzielle, den materiellen Kern einer Schöpfungsgeschichte. Weiß wird eher als sphärische, geistige Farbe verstanden. Wie unterschiedlich dennoch die Anwendung der beiden unbunten Farben begründet ist, zeigen die beiden weiteren Abschnitte der Sonderausstellung. Die Malerei auf Holz, Baumrinde oder Papier aus Ostarnhemland im Norden Australiens – aus dem Kunstzentrum Buku-Larrnggay Mulka – folgt einer regionalen Tradition, wenn sie sich auf weißen Lehm und Kalk sowie auf schwarze Erdpigmente als natürliche Farben konzentriert. Dagegen unterliegt den Acrylgemälden aus dem zentralaustralischen Kunstzentrum Papunya Tjupi Arts noch ein Impuls aus der Gründungszeit der Kooperative, bei dem die Reduktion der Farbpalette der wirtschaftlichen Situation geschuldet war.

Candy Nelson Nakamarra, Kalipinypa, 2019, Acrylic on Linen, 122 x 182 cm, ©Papunya Tjupi Arts