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#RUNDGANG

Ebe

Ebene 0 | Untergeschoss

ne 1 | NINA RÖDER

Andreas Mühe, Februar 2007, es geht nicht mehr weiter, 2008, C-Print, 140 x 110 cm, ©Andreas Mühe, VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Die frühesten Arbeiten in der Ausstellung Vertauschte Köpfe der Brüder Andreas und Konrad Mühe reflektieren die Auseinandersetzung mit dem Tod des Vaters Ulrich Mühe im Jahr 2007. Bereits ein Jahr später beginnt Konrad Mühe Filme mit Ulrich Mühe in der Hauptrolle zu sichten und Sequenzen auszuwählen, die mit neuem Plot ein so nie geführtes Gespräch über die Beziehung von Vater und Sohn ergeben. Obwohl der Titel Fragen an meinen Vater ein Zwiegespräch suggeriert, sind nur dessen Antworten zu hören. Doch ist es der Vater, der sie gibt, oder der Schauspieler in seinen Rollen?
Andreas Mühe rekonstruiert in seiner Fotografie Februar 2007, es geht nicht mehr weiter genau jene Situation, in der er erfahren hat, dass es für seinen Vater keine Aussicht auf Heilung gibt und dessen Leben bald zu Ende geht.

Konrad Mühe, Videostills, Fragen an meinen Vater, 2011, Video: 12 Min. (Farbe, Ton), ©Konrad Mühe, VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Ebe

Ebene 1

ne 1 | NINA RÖDER

Ausstellungsansicht Ebene 1 mit Oskar I (aus der Serie Mischpoche, 2016-2019) und der Serie Mühe-Kopf (2018) von Andreas Mühe sowie Ava (2021) und Tome (seit 2019) von Konrad Mühe, ©Andreas Mühe und Konrad Mühe, VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: Thomas Krüger

Den Auftakt der Ausstellung auf Ebene 1 bildet ein Prolog aus Porträts von Andreas und Konrad Mühe, der den von einer Erzählung Thomas Manns entlehnten Titel der Hängung #24 im KUNSTWERK Vertauschte Köpfe aufgreift. Die Reflexion über die eigene Identität und das Medium der Fotografie in seiner zeitlichen Bedingtheit spiegelt sich in dem 24-teiligen Werkblock Mühe-Kopf von Andreas Mühe wider. Zugleich setzt er mit der Fotografie Oskar I einen historisch-biografischen und für das Ausstellungskonzept entscheidenden Bezug zu seinem Großvater Oskar Hahn, der 1937 mit seinen Eltern von Kornwestheim in die Uckermark übersiedelt war.
Eine andere Form von Porträt sind die in Wachs abgeformten Videoprojektoren der Serie Tome von Konrad Mühe. Sie erinnern an Totenmasken oder eine Ahnengalerie und verweisen hier auf die in jeder Erzählung enthaltene subjektive Projektion. Seine Videoskulptur Ava wirkt wie ein kniendes Kind, das fasziniert in das Lichtspiel eines Kronleuchters blickt. In unterschiedlichen Phasen ein- und ausgeschaltet, überstrahlt dessen Aufleuchten die von Ava projizierten farbigen Bilder. Es entsteht ein Wechselspiel zwischen dem Projektionswesen und dem alten, wie von der Decke herabgestürzten Leuchter: Ein Dialog zwischen dem inneren Eigenen und dem äußeren Anderen entwickelt sich, der Grundlage jeglicher Ausbildung von Identität ist.

Ebe

Ebene 2

ne 1 | NINA RÖDER

Andreas Mühe, Mühe II (groß), 2016-2019, aus der Serie Mischpoche, C-Print, 175 x 220 cm, ©Andreas Mühe, VG Bild-Kunst, Bonn 2022
Andreas Mühe, Hahn II, 2016-2019, aus der Serie Mischpoche, C-Print, 175 x 220 cm, ©Andreas Mühe, VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Angeregt von der Tradition bürgerlicher Familienporträts, die in der Gruppierung der Beteiligten fein codierte Beziehungsgefüge repräsentieren, widmet sich Andreas Mühe 2016 bis 2019 seinem großen Projekt Mischpoche. Die beiden großformatigen Tableaus der Familien väterlicherseits sowie mütterlicherseits stehen im vorderen Teil der Ebene 2 im Zentrum. Jeweils vier Generationen umfassend, fügt der Künstler in aufwändigen Prozessen produzierte, lebensecht wirkende Figuren der bereits Verstorbenen ein. Dem aktuellen Alter des Künstlers entsprechend sind dieselben ebenfalls jeweils mit knapp 40 Jahren dargestellt. Obwohl die Verstorbenen im Kreis der Familie verlebendigt erscheinen, unterstreicht das detailreich inszenierte Setting von Personen und Bühnenausstattung das Wesen der Bilder als künstlerische Konstruktion.

Das Tableau Hahn II, das die Mutter und Theaterregisseurin Annegret Hahn im Mittelpunkt zeigt, reflektiert in hohem Maße die Herkunft und Familiengeschichte in ihrer für beide Söhne identitätsprägenden Funktion. In der Verbindung von Person und Ort, die auch hinter den Grundriss-Objekten von Konrad Mühe steht, richtet sich der Blick auf den Lebensmittelpunkt des Großvaters im Nordosten Brandenburgs. Dem Familienbild gegenübergestellt, thematisiert Andreas Mühe in einer Serie von Photogrammen das Schicksal von Oskar Hahns Eltern Gottlob und Anna, die 1945 von den vorrückenden Truppen der Roten Armee ermordet, am Torbogen ihres Hofes erhängt worden waren.

Ausstellungsansicht Ebene 2, im Vordergrund rechts: Konrad Mühe, Wohnung M, Wohnung B, Wohnung G, 2017, Schwammschaumstoff, Steine, ©Konrad Mühe, VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: Thomas Krüger
Konrad Mühe, Johannes, 2019, pulverbeschichtetes Metall, Videoprojektor, DVD-Player, Video: 3 Min. (Farbe, ohne Ton, Loop), ca. 170 x 90 x 70 cm

Die Videoskulpturen von Konrad Mühe untersuchen existentielle Fragestellungen zur Wahrnehmung und Wirkung von Bildern und der Konstruktion von Identität. Johannes liefert ein narzisstisches Menschenbild, das zwischen Selbstreflexion und der Wahrnehmung eines konstruierten Ichs changiert. Obwohl die Videoskulpturen technoide Objekte darstellen und aus Möbeln wie Tischen, Schränken oder Regalen sowie Projektoren bestehen, vermitteln sie sofort den Eindruck lebendiger Wesen, was die Betitelung der Arbeiten durch den Künstler zusätzlich betont. Unsere animistische Neigung, unbelebten Dingen menschliche Eigenschaften oder Merkmale zuzuschreiben, reagiert dabei auf Gestaltmuster, die in unserem Gedächtnis gespeichert sind. Diese Wahrnehmungsroutinen erzeugen angesichts der Videoskulpturen Konrad Mühes eine persönliche Basis der Auseinandersetzung, die jeweils im Zusammenwirken von Form, Oberflächenstruktur und Filmprojektion inhaltlich vertieft wird.

Konrad Mühe, Leonhardt, 2019, pulverbeschichtetes Metall, Videoprojektor, DVD-Player, Video: 4 Min. (Farbe, ohne Ton, Loop), ca. 80 x 80 x 160 cm, ©Konrad Mühe, VG Bild-Kunst, Bonn 2022
Andreas Mühe, Vater XXI, Vater XXII und Vater XXVII, 2016-2019, aus der Serie Mischpoche, C-Print, 140 x 110 cm, ©Andreas Mühe, VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Während sich die flankierenden Arbeiten zum Familienporträt mütterlicherseits auf die Geschichte der Familie Hahn konzentrieren, stehen im Bereich der hohen Halle dem Tableau Mühe II (groß) Arbeiten von Andreas Mühe gegenüber, die sich mit dem Bild des Vaters Ulrich Mühe auseinandersetzen. Der wie ein antiker Kuros wirkende Torso erscheint – an erhöhter Stelle im Raum angebracht – unerreichbar und gewissermaßen idealisiert, während das eindrückliche Porträt des Vaters hinter einer Ausstellungswand versteckt präsentiert wird. Das so geschaffene Vater-Bild und die Dekonstruktion desselben geraten in ein beziehungsreiches Spannungsfeld.

Ausstellungsansicht Ebene 2, Foto: Thomas Krüger

Familienbiografische Aspekte treten neben den Grundrissobjekten in zwei weiteren Werken von Konrad Mühe stärker hervor. In seiner zweiteiligen Installation Philipp blickt eine scheinbar am Boden liegende, halb aufgerichtete Kreatur auf die letzten Dinge des Lebens. In Anlehnung an seinen Vorfahren, den Mechaniker-Pfarrer Philipp Matthäus Hahn (1739-1790), sind diese in einem kosmischen Modell zirkulierend dargestellt. Ein anderes Bild von Vanitas entwickelt Konrad Mühes in Zusammenarbeit mit seiner Frau, der Künstlerin Sonja Schrader. In der Geste des sich gegenseitigen Stützens und Tragens zeigt die skulpturale Arbeit Klakeur hochformatige Videosequenzen von Blumensträußen, die unversehens in sich zusammen fallen und die Überlagerung von Ereignissen ohne Innehalten thematisieren.

Konrad Mühe und Sonja Schrader, Klakeur, 2020, Edelstahl, Stuckmarmor, Videoprojektor, Media-Player, Video: 4 Min. (Farbe, ohne Ton, Loop), ca. 160 x 140 x 140 cm, ©Konrad Mühe und Sonja Schrader, VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Ebe

Ebene 3

ne 1 | NINA RÖDER

Konrad Mühe, Weissglas, 2011, Glas, Holz, Videoprojektor, Video: HDV, 2 Min. (Farbe, ohne Ton, Loop), ca. 60 x 112 x 50 cm, ©Konrad Mühe, VG Bild-Kunst, Bonn 2022

In der Videoinstallation Weissglas ist Konrad Mühe selbst zu sehen, wie er sich zwischen den verschiedenen Ebenen von Wand und Boden bewegt. Allerdings scheinen die üblichen physikalischen Gesetze außer Kraft gesetzt zu sein. Die vertraute Auffassung von Raum wird konterkariert in einem zugleich irritierenden wie faszinierenden Vexierspiel.

Die Arbeiten aus der Serie Obersalzberg, in der sich Andreas Mühe kritisch mit der Bildästhetik der NS-Diktatur auseinandersetzt, bilden den Abschluss der aus Landschaften und Porträts bestehenden Werkserie. Den Ausgangspunkt bilden Aufnahmen des Fotografen und Kameramanns Walter Frentz vom Rückzugsort Hitlers im Berchtesgadener Land. Andreas Mühe hat einzelne Figuren aus Hitlers Entourage herausgegriffen und deren Körperhaltung von Schauspielern nachstellen lassen, um zu untersuchen, wie viel sich von der „Geste des Gehorsams“ darin noch vermittelt.

In liegenden Leuchtkästen und einer großformatigen Fotografie beschäftigt sich Andreas Mühe mit den Liquidatoren von Tschernobyl. „Biorobots“ nannte man die Helfer, die nach der Reaktorkatastrophe in der verstrahlten Anlage ihr Leben riskierten. Mit der skulptural inszenierten Darstellung der in aufwändiger und doch nutzloser Schutzkleidung steckender Personen hinterfragt Andreas Mühe einmal mehr den Mythos des Heldentums.

Ausstellungsansicht Ebene 3 mit Werken von Andreas Mühe aus den Serien Tschernobyl (2020) und Mischpoche (2016-2019), ©Andreas Mühe, VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: Thomas Krüger
Ausstellungsansicht Ebene 3 mit Werken von Andreas Mühe aus den Serien Tschernobyl (2020) und Obersalzberg (2010-2012), ©Andreas Mühe, VG Bild-Kunst, Bonn 2022 / Konrad Mühe, Weissglas, 2011, Glas, Holz, Videoprojektor, Video: HDV, 2 Min. (Farbe, ohne Ton, Loop), ca. 60 x 112 x 50 cm, ©Konrad Mühe, VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: Thomas Krüger