Kategorie: Allgemein

Hängung #8

„Surface: Die Poesie des Materials“ zeigt erstmals in Deutschland umfassend das Werk des koreanischen Künstlers Chun Kwang Young (*1944). Chun, dessen künstlerische Wurzeln in der abstrakten Malerei liegen, setzt sich mit den Vorstellungen traditioneller westlicher Malerei auseinander. Anstatt mit Farbe und Pinsel zu arbeiten, nutzt er antiquarisches Maulbeerbaumpapier (Hanji) aus Korea als Mittel, um die Formen konventioneller Malerei aufzulösen. Seit 1994 bringt er in seinen Arbeiten „Aggregation“ (dt. Akkumulation) tausende von kleinen pyramidenförmigen Styroporlementen auf die Leinwand, die mit koreanischen und chinesischen Schriftzeichen bedrucktem Maulbeerbaumpapier umhüllt sind.

#8

Während Chun sich dem Maulbeerbaumpapier als künstlerisches Medium konsequent verschrieben hat, bedient sich Gotthard Graubner (*1930) der Farbe, in allen Eigenschaften und Farbwirkungen. Seine sogenannten Kissenbilder entfalten durch mehrfachen Farbauftrag auf unterschiedlichen Geweben eine sinnliche und plastische Wirkung. Im Gegensatz zu Graubners Werken, verweisen die Materialien – Blei, Beton, menschliches Haar oder getrocknete Pflanzen – in Anselm Kiefers (* 1945) monumentalen Arbeiten auf historische und mythologischen Themen, Gedächtnis und Erinnerung.

Junge Positionen aus der Sammlung Alison und Peter W. Klein ergänzen die Ausstellung. Mit dabei: Nicole Bianchet, Chiharu Shiota, Tabaimo und Monika Thiele.

Hängung #9


Einen persönlichen Blick zurück präsentiert Brigitte Wetter in ihrer Abschiedsvorstellung. Aus den mittlerweile 1660 Exponaten der Sammlung hat sie ihre Auswahl getroffen. Die Hängung # 9 zeigt Arbeiten von den Anfängen bis zu aktuellen Neuerwerbungen. Hinter jedem Werk, das Eingang in die Sammlung gefunden hat, stecken persönliche Begegnungen der Kuratorin mit Künstlern und Galeristen, Atelier- und Messebesuche und der stetige Austausch mit Alison und Peter Klein.

#9

Kurzum, der Blick zurück führt Zeichnungen, Malerei und Fotografien zusammen, die Lieblingsstücke der Kuratorin waren und sind. Dabei spiegelt der Querschnitt aber auch die Entwicklung der Sammlung Klein wider. Die Hängung # 9 zeigt unter anderem Arbeiten von Karl Bohrmann, Elger Esser, Katharina Hinsberg, Susanne Kühn, Thomas Müller, Eva Wagner und Corinne Wasmuht. Zur Abschiedsausstellung erscheint eine Broschüre.

Hängung #10

ANKOMMEN ist die Auftakt-Ausstellung der Sammlungsleiterin Valeria Waibel, die im Januar 2013 ihre Tätigkeit im KUNSTWERK – Sammlung Klein aufgenommen hat. 

#10

In der Ausstellungshalle KUNSTWERK in Eberdingen-Nussdorf bieten zwei bis drei Ausstellungen im Jahr verschiedene Einblicke in den umfangreichen Bestand der Kunstsammlung von Alison und Peter W. Klein. Die aktuelle Ausstellung stellt Ihnen unter dem Titel Ankommen eine neue Auswahl von Werken der Sammlung vor – ein Thema, mit dem jede und jeder von uns eine besondere Situation verbindet. Denn schließlich kommen wir immer irgendwann irgendwo an, um irgendetwas zu tun. Gegenüber dem Angekommen-Sein ist das Ankommen selbst kein abgeschlossener Vorgang, sondern bezeichnet vielmehr einen Moment in der Schwebe zwischen der Spur des beschrittenen Weges und dem Zukünftigen, noch Offenen. Je nachdem, wie der Weg beschaffen ist, kann das Ankommen leicht fallen oder eine Herausforderung sein. Die Auseinandersetzung mit dem Ort, an dem wir ankommen, schließt das Vergangene ein oder ist in die Zukunft gerichtet. Nicht zuletzt kann sich das Ankommen auf einen räumlichen oder auf einen inneren, geistigen Prozess beziehen.

#Infos

EBENE 0 und 1 | Ankommen – der Weg

Auf vier Ebenen im KUNSTWERK werden Ihnen unterschiedliche Aspekte des „Ankommens“ vorgestellt. Im Erdgeschoss und auf der 1. Ebene des KUNSTWERKS geben wir Ihnen Gelegenheit, selbst erst einmal in der Ausstellung und im Thema anzukommen. Fotografien von Ülkü Süngün erzählen von der Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft und Identität, die man immer mitbringt, egal wo man hinkommt. Arbeiten von Miwa Ogasawara, Karin Kneffel und Ute Lindner greifen auf unterschiedliche Weise Fenstermotive auf, so dass man auch als Betrachter ankommt, innehält, nach vorne blickt. Videos von Marco Schuler zeigen, dass das Ankommen selbst eine große Aufgabe und Herausforderung sein kann.

EBENE 2 | Ankommen – eine Reflektion über Zeit und Ort

Im großen Raum auf der 2. Ebene des Gebäudes fächert sich das Thema des Ankommens in unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Dimensionen auf. In der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Zeit des Dritten Reiches setzen die Arbeiten von Gottfried Helnwein, Katrin Ströbel und Eva Leitwolf historische gegenwärtige Spannungsfelder. Eine Fotoserie von Juliane Eirich beschreibt eine ganz persönliche künstlerische Annäherung an die Kultur Südkoreas. Aus einer Reise in seine Heimat, in die eigene Vergangenheit und die Wurzeln der eigenen Identität entstehen die Bildwelten des neuseeländischen Schriftstellers und bildenden Künstlers John Pule. Ebenfalls der persönlichen Reflektion entstammen die Objekte Marco Schulers.

EBENE 3 | Ankommen – von hier aus

Auf der 3. Ebene des Gebäudes breiten sich Bildräume und Landschaften aus, die uns in innere Vorstellungswelten entschweben lassen. Emotional gebunden durch die Figur des nackten Menschen führen die digital bearbeiteten Fotos des chinesischen Künstlers Chi Peng in real-irreale (Stadt-) Landschaften. Im kleinen Format und doch monumental spüren Beate Terfloths Zeichnungen die Landschaft der Insel Pantelleria südlich von Italien nach. Die Arbeiten der amerikanischen Künstlerin Max Cole ehalten durch ruhig und zugleich rhythmisch gesetzte, streng horizontal lagernde Schwarz-, Weiß- und Grautöne – sowohl in der Herstellung als auch in der Wahrnehmung – meditativen Charakter. Bildräume mit Schriftwolken, Figuren und landschaftlichen Elementen lassen in den Bildern von Brigitte Waldach eigene Gedankenräume entstehen.

Hängung #12

Erinnert man sich beim Aufwachen an seine Träume, ergeben Bilder und Gefühle oft eine seltsame, rätselhafte Szenerie. Es sind Versatzstücke aus dem eigenen Erleben, die im Träumen ein Eigenleben führen. Erzählt man das Geträumte nach, erscheint die „Story“ meist wirr, weil die im Traum aneinander gereihten Bilder nicht dem Prinzip des Logischen unterliegen.

#12

Es gibt Tagträume, Wunschträume, Nachtträume, Alpträume. Worum es dabei immer geht, ist, dass Dinge, Geschehnisse – bewusst oder unbewusst – zusammen gedacht werden, die es in Wirklichkeit so nicht oder so noch nicht gibt. Sie sind der Wirklichkeit, dem aktuellen Realen entrückt und – was die Nachtträume anbelangt – ziemlich rätselhaft. Wenn man sich an einen Traum erinnert, fragt man sich oft, was man da zusammen geträumt hat; man sucht nach einem „Woher“ und „Warum“, man frag nach einem Sinn des scheinbar Unsinnigen, denn im Nacherzählen erscheint der Traum oft wirr. Man sucht nach Bedeutung, meist ohne eine Deutung zu finden.

Grundlage für die Auswahl der in der Ausstellung präsentierten Werke ist ein Bezug zwischen dem Bilder-Denken im Traum und dem Hervorbringen von Vorstellungsbildern in der Kunst. Die Exponate der Ausstellung sind keine „gemalten Träume“; es sind keine Versuche, Traumerlebnisse zu reproduzieren. Auch die mittelbare Darstellung von Träumen, die auf der Erzählung oder auf textlicher Überlieferung von Traumgeschehen gründet, spielt bei den ausgewählten Arbeiten keine Rolle. Die Werke wurden aufgrund ihrer Verwandtschaft zum Träumen als Bilder-Denken ausgewählt, das verschiedene Dinge zusammen setzen kann und dabei keiner Zeitgebundenheit, keiner Logik und inneren Folgerichtigkeit unterliegt. Sie stellen Bildwelten vor, die motivische, bildnerische Elemente – Versatzstücke des Erinnerns und Erlebens – in freier, poetischer Weise zusammen führen und dabei eigene Bildwelten aufbauen. Gesichtspunkte der Bedeutung und Deutbarkeit der bildlichen Zusammenhänge bleiben dabei – im Bild wie im Traum – meist offen, in der Schwebe.

#Rundgang

Erdgeschoss

Die aktuelle Auswahl von Werken der Sammlung Alison und Peter W. Klein breitet in bildlichen Landschafts- und Bühnenräumen Szenarien des Rätselhaften und Geheimnisvollen aus. Beim Hereinkommen treffen die Besucher auf ein Gemälde der aus Moskau stammenden und in Berlin lebenden Künstlerin Inna Artemova. Ihre Arbeiten kombinieren architektonische Motive, die sich im Malerischen auflösen, mit figurativen. In der Gegenwart wahrgenommene Gebäude lassen – in Erinnerungsblitzen – Szenen des Lebens in früheren Zeiten auftauchen. In Vergangenheit und Gegenwart Getrenntes kommt in ihren Bildern zusammen.

EBENE 1

Im nächsten Stock begegnet man einer Reihe von Werken des Berliner Künstlers Michael Wutz aus den Jahren 2010 bis 2013. Gezeichnete Schädel und Gebeine, die sein Werk kennzeichnen, gehören nicht nur zum Reich des Morbiden. Mit seiner akribischen Arbeitsweise verführt Michael Wutz zum genauen Betrachten. In der Zeichnung mit Motivinseln auf weißem Grund sind Zeichner, Forscher zu finden, die, wie Archäologen einen Fund dokumentieren. Der Künstler selbst erkundet in Ethnologie, Kunst- und Kulturgeschichte Spuren seiner bildlichen Motive Schädel und Gebeine, wie zum Beispiel die Geschichte des Schädelbaums von Yimpang in Indien, der in der Kultur der Naga eine Verbindung zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit, zwischen den Lebenden und den mythischen Ahnen herstellen soll. Aber auch Bezüge zur christlichen Ikonografie sind zu erkennen. Bei einer Zeichnung denkt man an den Ort der Kreuzigung Jesu, an „Golgatha“, bei einer anderen an das leere Grab, und weiter an den „Jüngsten Tag“. So liegt auch in den großen, bildnerisch höchst komplexen Panoramen nicht nur ein apokalyptischer Charakter; sie schließen den Aspekt der Gegenwart und des beginnenden Neuen ein.

Der Sternenhimmel im dreiteiligen Bild von Brigitte Waldach hingegen lässt nur auf den ersten Blick die Phantasie ins Weite schweifen. Mit der Sternenkonstellation vom 9. Mai 1976 thematisiert sie die Stunden vor dem Tod der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof. Die schemenhaft erkennbare liegende Figur zitiert das Polizeifoto, das auch Gerhard Richter in seinem Bilderzyklus verwendet hat. Die im Himmel eingeschriebenen Begriffe spiegeln die Biografie von Ulrike Meinhof und die zunehmende Radikalisierung einer politischen Utopie.

Die Videoarbeit von Lucas Davidson bringt die eigene Identität fast wörtlich in die Schwebe zwischen Sein und Vergänglichkeit. Von einem fotografischen Selbstporträt löst er die bildtragende Schicht ab und lässt sie in Wasser schwimmen. Im fast magischen Tanz des Bildschleiers tauchen immer wieder und nur vorübergehend Fragmente des Figürlichen, Leiblichen auf.

EBENE 2

Im zweiten Stock führen die in altmeisterlicher Weise gemalten Bilder von Moritz Baumgartl aus Stuttgart in eine real-surreale Welt mit bühnenartigen Bildräumen, deren Flächen sich dem Betrachter erst einmal entgegenstellen. Gelingt es in der Vorstellung, diese zu überwinden und gedanklich in den Raum einzutreten, fragt man sich zwischen Militärfahrzeugen und Bomben, beobachtet von Vertretern / Statisten kirchlicher und weltlicher Macht, ob man sich dort überhaupt befinden will.

Daran anschließend und die gesamte Ausstellungswand im Unterzug des zweiten Geschosses umlaufend bringen die Werke von David Lowe, Maik Wolf, Ola Billgren und Allen Anthony Hansen Landschaften vor Augen, die der Wirklichkeit entrückt sind und surreale Elemente oder Charaktere der „schwarzen Romantik“, des Schauerlichen enthalten. Die Landschaften sind an den Außenwänden des Unterzugs umgeben von meist figürlichen Werken mit surrealen, märchenhaften und symbolistischen Inhalten, so auf der einen Seite die Fotografien von Dominic Rouse und Jerry Uelsmann, von dem auch das Titelbild der Ausstellung stammt. Auf der anderen Seite der große, mit dem Skalpell herausgearbeitete Scherenschnitt von Charlotte McGowan-Griffin, im Anschluss daran die Aktfotografien mit ihren verblüffenden Perspektiven von Arno Minkkinen. Drei Wesen finden im „Wolfsschafspriester“ von Deborah Sengl und Ingo Pertramer zusammen. Und schließlich taucht der Wolf als Tier der Märchen- und Mythenwelt nochmals im Gemälde von Sabina Sakoh auf, das sich mit vielfältigen mythologischen und allegorischen Anspielungen als symbolistisches Bild erweist.

Die gerade angeführten Arbeiten haben deutlich erzählerische Qualitäten, man vermutet beim Betrachten eine „Geschichte“, ohne dass sie vollständig erkennbar bzw. offen gelegt wird.

Kunstwerk - Sammlung Klein - Nussdorf - Museum - Kunst - Art - Baden-Württemberg - Haengung #12 - Installationsansicht

Ähnlich ist es auch bei dem in Ludwigsburg lebenden Künstler Jörg Mandernach. Er hat eigens für die Ausstellung eine Installation mit dem Titel Der Traum vom Verklingen des Raums zwischen Bild und Bedeutung an und vor der Hauptwand des zweiten Obergeschosses realisiert. Mit surrealistischen Mensch-Tier-Wesen, mit Dimensionsverschiebungen, mit Bild- und Schriftzeichen, die mit dem Entziffern von Bedeutung und dem Nicht-Entzifferbaren spielen, steht seine Installation programmatisch für das Thema des Welten träumens. Das bildnerische Material, das seinem Schaffen zugrunde liegt, besteht aus tagebuchartigen Notaten, die eng mit dem eigenen Erleben verbunden sind. Andererseits kommen medial vermittelte Bilder wie Ausschnitte aus Zeitschriften und Zeitungen, aber auch Worte und Texte hinzu. Das Disparate, das ausschnitthaft notierte Erlebte und das Fremde fließen zusammen in einem neuen, poetischen Eigenen.

EBENE 3

Im dritten Obergeschoss tritt das Erzählerische weitestgehend zurück. Mit Verfremdungseffekten und Motivüberlagerungen führen die Arbeiten von Ralph Brueck und Bettina Krieg an die Grenzen inhaltlicher Lesbarkeit und verweisen die Wahrnehmung damit auf eigene Vorstellungsräume. Die Fotografien von Mayumi Terada und Sascha Weidner, die beide das Motiv von Bäumen beinhalten, stellen sich in der Wahrnehmung wie ein schneller Wechsel von Positiv-Negativ-Effekten dar, so dass die Arbeiten als einzelne faszinieren, im Nebeneinander beider irritieren. Im Gemälde von Sebastian Burger aus Leipzig erkennt man mythologische Figuren wie den vom Adler entführten Ganymed, in einer synthetischen, abstrakt-gegenständlichen Bildwelt, in der die Elemente „surreale Allianzen und groteske Dialoge“ bilden.

Hängung #13

Oft ist es nur ein kurzer Moment, der etwas Einzigartiges enthält: eine besondere Wahrnehmung, eine besondere Stimmung, die man am liebsten für immer festhalten möchte. Der Augenblick trägt dann etwas Großes in sich. Das Vergängliche, Flüchtige des erlebten Moments erlangt grundsätzliche und zeitübergreifende Bedeutung.

#13

Das von der Landschaft Oberbayerns inspirierte Gemälde Green Pale Light von Sean Scully lässt an eigene landschaftliche Eindrücke denken, die etwas Besonderes in sich tragen. Sie sind von begrenzter, oft nur kurzer Dauer. So verschwindet der Nebel über den Wiesen, sobald die Sonne höher steigt. Was man dann am liebsten festhalten möchte, sind nicht die Einzelheiten der Topografie, sondern ist der Klang des Ganzen, der sich mit einer persönlichen Stimmung verbindet. Von hier aus ist es nur ein kleiner Schritt zum Titel der Ausstellung ein Moment – ewig. Mit ihm eröffnet sich ein Gedankenraum, der eine allgemein-menschliche Erfahrung beinhaltet, nämlich den Wunsch, in großen Augenblicken das Flüchtige und Vergängliche für immer festhalten zu können.

Wer ins KUNSTWERK und in die Ausstellung kommt, bringt eine solche Erfahrung auf jeden Fall mit, weiß aber auch, dass sie sich nicht nur auf das Erleben von Natur, sondern auch auf Begegnungen mit Menschen bezieht. Entsprechend weitet sich die von Sean Scully gelegte Spur für die Auswahl der Arbeiten aus und führt auch zu figürlichen Werken der Sammlung. In der Ausstellung reflektieren rund 50 Werke von 20 Künstlerinnen und Künstlern aus Deutschland, Österreich, Belgien, Großbritannien, Kanada und den USA in unterschiedlicher Weise außergewöhnliche Momente des Erlebens und geben ihnen im Bildhaften Dauer.

.

#Rundgang

EBENE 1 |
Momente existenzieller Tiefe

Sean Scully gehört international zu den wichtigsten abstrakten Malern der Gegenwart. Seit seiner Professur in München 2002-2007 arbeitet er nicht nur in seinen Ateliers in New York, London und Barcelona, sondern auch im oberbayerischen Mooseurach. Dort ist das Gemälde Green Pale Light entstanden. Es greift die Farbigkeit der landschaftlichen Umgebung auf, fängt aber zugleich im Zusammenklang der Farbe eine besondere, offenbar melancholische Stimmung ein. Sean Scully verdichtet den momentanen Eindruck in essenzieller Weise, indem er ihn in pure Malerei übersetzt: in horizontal und vertikal angeordneten Farbflächen mit offenen Konturen, die im Klang der Farbe leise schwingen.

In seinen Bildserien geht Sean Scully jeweils einer bestimmten künstlerischen Grundidee nach, vertieft sie, indem er sie differenziert. Er tut dies allerdings nicht im rein abstrakten Spiel der bildnerischen Möglichkeiten. Wie der Kunsthistoriker Armin Zweite es formuliert, geht es Scully vorrangig darum, mit Struktur, Kolorit und Farbauftrag das ungegenständliche Gefüge seiner Malerei emotional aufzuladen. Jedes Bild ist eng an eine persönliche Erfahrung, an eine emotionale Befindlichkeit gebunden.

Das Gemälde Green Pale Light gehört zur Serie der Wall of Light-Bilder, hinter denen die Beobachtung von stets wechselnden Erscheinungen des Lichts auf einer Mauer steht. Die Anordnung der für Scullys Werk charakteristischen Farbflächen und –streifen bildet dagegen in den Radierungen andere Strukturen aus. In Cut Ground Red ist sie von der Gliederung unserer Kulturlandschaft geprägt. Die Serie Doric wurzelt in der antiken Kultur Griechenlands.

Die existenzielle Tiefe, die in den Bildern von Sean Scully liegt, hat im Bestand der Sammlung eine Spur zu Dieter Krieg gelegt. Viele Jahre lang Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf, kennt man sein Werk vor allem durch großformatige Bilder mit kraftvollem Auftrag von (oft trivialen) bildlichen Motiven und Schrift. Die Bilder für die Dämmerung aus seiner letzten Lebensphase setzen sich im Verzicht auf die Farbe davon ab, ohne die obsessive Wucht des Arbeitens zu verlieren. Sie sind mit Kohle auf Papier gezeichnet, geschrieben und auf Leinwand geklebt, ins Format des Bildrahmens collagiert. Sie erscheinen wie ein radikales und kompromissloses Statement, das die Essenz des Lebenswerks zusammenfasst.

EBENE 2 |

Jetzt! Akzente des Momentanen

Während sich das Miteinander von Sean Scully und Dieter Krieg im ersten Obergeschoss aus der Vergleichbarkeit der grundsätzlichen Haltung beider Künstler ergibt, breitet sich im 2. Obergeschoss ein Spektrum von Arbeiten aus, die mit dem Medium der Fotografie arbeiten oder in der Malerei von ihr ausgehen.

Edward Burtynskys Fotografie von jahrhundertealten Reisfeldern in China greift das Thema der vom Menschen gestalteten Kulturlandschaft nochmals auf, stellt ihre besondere Ästhetik aber auch ins Verhältnis zur Tragweite des menschlichen Eingriffs in die Natur.

Sehr atmosphärisch wirken die Arbeiten der Leipziger Künstlerin Christiane Baumgartner. Wie sie erzählt, habe sie das besondere Licht auf die sonderbare Szenerie eines Schiffsfriedhofs, die ihr am Fluss Medway begegnet sei, später so nie wiederfinden können. Ihrem Werk zur Seite gestellt ist ein Gemälde von Udo Nöger, das sich dem Phänomen des Lichts mit malerischen Mitteln zuwendet.

Verfallende Holzschuppen in der Landschaft seiner Heimat in North Carolina, gemalt wie verbleichende Fotografien mit zerstörten Oberflächen, bringen in der Malerei des jungen New Yorker Künstlers Damian Stamer gegensätzliche Pole wie Gegenwart und Vergangenheit zusammen.

Fotografische Notate flüchtiger, aber besonderer Begegnungen mit Menschen im Alltag und auf Reisen fließen in die vielschichtigen Bildräume von Eva Wagner ein, die an der Hauptwand des 2. Obergeschosses installativ angeordnet sind.

Andreas Gefeller bietet mit einem scheinbaren Blick aus der Vogelperspektive eine zugleich dokumentarische wie fiktionale Sicht auf ein New Yorker Flachdach voller Graffitis.

Kunstwerk - Sammlung Klein - Nussdorf - Museum - Kunst - Art - Baden-Württemberg - Andreas Gefälle - Graffiti

Die Illusion und die Vorstellung des „einen Moments“ in der Fotografie hebt schließlich Paul Graham in seiner Street Photography auf, indem er der dreiteiligen Bildsequenz eine besondere Choreografie des Alltags unterlegt.

Die zeitliche Ausdehnung eines vermeintlichen Moments wird schließlich in den Fotografien von Annette Kelm offenbar.

EBENE 3 UND TREPPENHAUS |



Über die Wirklichkeit hinaus

Das Sommerbild 16 von Erdmut Bramke eröffnet im 3. Obergeschoss den Rundgang, der mit dem Untertitel Über die Wirklichkeit hinaus überschrieben ist. Mit gestischer Pinselschrift, Schicht für Schicht das Geflecht von Strichen verdichtend, bringt Erdmut Bramke den Farbraum ins Flirren und überführt damit einen landschaftlichen Eindruck in eine über die Wirklichkeit hinausgehende, bildnerische Grundidee.

Die Fotografien von Thomas Weinberger überhöhen die Wirklichkeit geradezu, indem er Nacht- und Tagaufnahmen identischer Stadtansichten synthetisierend vereint.

Die Ausstellung schließt mit Fotoarbeiten von Sean Scully, die wiederum Motive und Momente mit dem Auge des Malers festzuhalten suchen: Verschläge und Wellblechschuppen der schottischen Isle of Lewis and Harris oder die Schichtung von Strand, Meer und Himmel in der Fotoserie Landline, die er im Gemälde Landline Green White in weit in den Raum hineinklingende Malerei übersetzt.

HÄNGUNG #15

Über die Linie hinaus zu gehen bedeutet, Grenzen zu überschreiten und unerlaubtes, aber auch ungewohntes oder neues Terrain zu betreten. Die Hängung #15 stellt Werke vor, die im Einsatz von Linien und linearen Strukturen über das traditionelle Verständnis bildnerischer Gattungen hinausgehen.

#15

Den Impuls für das Thema der Hängung #15 haben Bilder von Markus Oehlen gegeben, die mit grafischen und druckgrafischen Elementen das klassische Feld der Malerei erweitern. Von hier aus hat der Weg zu Arbeiten mit Linien und linearen Strukturen geführt, die gerade nicht der Zeichnung im engeren Sinne zuzuordnen sind. In Papierschnitten von Katharina Hinsberg, in Gemälden von Enrico Bach, Bildobjekten von Manuel Knapp sowie in Wand- und Rauminstallationen von Anna Ingerfurth und Christl Mudrak geht die Linie über die Gebundenheit an die Fläche hinaus und wird Teil raumhaltiger Werkkonzepte. Offene Gedankenräume bieten die zeichnerischen Notate von Jorinde Voigt. Die Linolschnitte von Georges Wenger spielen mit einer landschaftlich-gegenständlichen und abstrakten Sehweise. Von hier aus geht ein Bogen zur Videoarbeit von Heidi Grandy, die mit den Lichtreflexen lackierter Äste vor schwarzem Grund arbeitet.

#Rundgang

EBENE 1 UND TREPPENHAUS

In den Arbeiten auf der Ebene 1 und im Treppenhaus übernehmen lineare Elemente die Funktion, den Bildraum zu definieren, ihn zu öffnen oder zu schließen. Der Wandinstallation von Anna Ingerfurth liegt eine lineare Konstruktion zugrunde, die mit farbigen, rautenförmigen Platten ausgefüllt ist und den Eindruck einer schräg im Raum stehenden Fläche erzeugt. Schattenrisse menschlicher Figuren geben dem abstrakten Gefüge den Charakter eines surrealen Handlungsraums. Das ortsspezifisch ausgeführte Konzept beruht auf kleinformatigen Werken, die im zweiten Geschoss des Treppenhauses zu sehen sind.

Kunstwerk - Sammlung Klein - Nussdorf - Museum - Kunst - Art - Baden-Württemberg - Anna Ingerfurth

Linien, Bänder und Flächen prägen als bildnerische Elemente die Malerei von Enrico Bach. Das in Grün- und Grautönen ausgeführte Gemälde Ohne Titel führt den Blick mit widersprüchlichen Perspektiven in die Bildtiefe. Dagegen schließen in den Werken der Serie Randgruppe schwarze oder silberfarbene, linear strukturierte Flächen den Bildvordergrund ab. Nur an den farbig gestalteten Rändern oder in sehr schmalen Zwischenräumen, die wie Sehschlitze wirken, geben die Arbeiten den Blick frei auf tiefer liegende Schichten.

EBENE 2

Die Werke von Markus Oehlen führen zu einem in wörtlichem Sinn grundlegenden Aspekt der Ausstellung. Bereits in seinen Arbeiten der 1980er Jahre binden sich Linien mit nahezu materieller Qualität in die malerischen Strukturen und Flächen ein. Das grafische Element wird dabei vom Künstler eingesetzt, um die Malerei zu erweitern. In den neueren Werken der Ausstellung aus dem letzten Jahrzehnt verdichten sich plastisch-gegenständliche Motive und lineare Strukturen zu einem optisch kaum mehr auflösbaren Gewebe bildnerischer Schichtungen.

Kunstwerk - Sammlung Klein - Nussdorf - Museum - Kunst - Art - Baden-Württemberg - Markus Oehlen - Baustelle
Kunstwerk Sammlung Klein Nussdorf Museum Kunst Art Baden-WürttembeChristl Mudrak Vertigo Site II 2 Malerei Architektur

Die Möglichkeit, das Flirren und Flimmern in den Bildern von Markus Oehlen mit Abstand oder aus der Nähe zu betrachten, hebt sich in der Installation von Christl Mudrak auf. Nachdem man den von ihr gestalteten Raum betritt, erlebt man dessen Wirkung in völliger Distanzlosigkeit. Schwarze, spiralförmig über weiße Flächen und Gegenstände gezogene Linien heben die räumliche Orientierung auf und nehmen unmittelbar Einfluss auf die physische und psychische Erfahrung.

Die Linolschnitte von Georges Wenger beinhalten landschaftliche Referenzen. Mit feinem, von Schnee bedecktem Geäst zeigen sie Einblicke in winterliche Waldstücke. Das Geflecht von schwarz-weißen Lineaturen und Flächen hebt die Bilder jedoch zugleich vom Landschaftlichen ab.

EBENE 3 UND TREPPENHAUS

Die Werke von Katharina Hinsberg werden durch feine Linien charakterisiert, die die Künstlerin im Papierschnitt freistellt oder entfernt. Sie beginnt ihre Arbeit meist mit einer linearen Zeichnung und bearbeitet diese anschließend mit dem Skalpell. Akribisch führt sie die Klinge an den Konturen der Linien entlang und löst die Linien selbst oder die Zwischenräume aus dem Papier heraus. Indem sie die an die Fläche gebundenen bildnerischen Elemente in räumliche Konstellationen überführt, hebt sie den elementarsten Aspekt der Zeichnung auf.

Auf Ebene 2 und 3 werden zudem Arbeiten von Jorinde Voigt präsentiert, die in gleichermaßen nachvollziehenden wie vordenkenden Arbeitsprozessen entstehen. Sie übersetzt ihr Wahrnehmen, Erleben und Denken in bildnerische Gefüge aus malerischen Elementen, reflektierenden Materialien, Schrift und grafischen Zeichen, die an Tanznotationen oder Partituren erinnern.

EBENE 0

In seinen Bildobjekten spannt Manuel Knapp mit parallel verlaufenden Fäden farbige, konstruktive Flächen in dreidimensionale Rahmen ein. Sie durchziehen in systematischer Weise den Bildkörper und überlagern sich. Beim Betrachten vermag das Auge jedoch kaum deren Anordnung zu verfolgen. Die Wahrnehmung des linearen und zugleich dreidimensionalen Gefüges gerät somit in Widerstreit zu seiner Flächenprojektion.

Hallo Welt!

Willkommen zur deutschen Version von WordPress. Dies ist der erste Beitrag. Du kannst ihn bearbeiten oder löschen. Und dann starte mit dem Schreiben!